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Bewegung: Mit relativ wenig ist schon viel erreicht

Ausgabe Nr. 134
Jun. 2022
Bewegung

Leitartikel. Die Pandemie hat Bewegungsmuster verändert, zum Guten wie zum Schlechten. Wichtig ist nun, positive Muster zu stärken und negative zu vermindern. Die gute Nachricht: Um einen positiven Effekt auf den Körper zu erzielen, braucht es kein intensives Sporttraining. Regelmässige Bewegung, die uns leicht ausser Atem bringt, genügt bereits.

Als im Januar 2020 die ersten Berichte über ein neues Virus in China in den Schweizer Medien auftauchten, da war den allermeisten von uns nicht klar, wie dieses Virus unser Leben verändern würde. Vor allem konnten wir uns nicht vorstellen, auf wie viele verschiedene Lebensbereiche dieser Erreger einen Einfluss haben würde. In diesem spectra wollen wir uns auf einen dieser Bereiche fokussieren: die Bewegung. Wie hat die Pandemie unser Bewegungsverhalten verändert? Was können wir tun, um unser Bewegungsverhalten zu verbessern? Aber auch: Welche positiven Effekte haben Bewegung und Sport auf unsere Gesundheit und wie können wir damit unser Immunsystem stärken?

Die Pandemie hat im Bereich Bewegung durchaus positive Entwicklungen in Gang gesetzt: Viele Menschen bewegten sich mehr, nutzten die Zeit im Slowdown für Yoga, Joggen, Spaziergänge in der Mittagspause und endlich die Rennvelo-Ausfahrt, die sie schon lange geplant hatten. Die Pandemie lieferte Menschen einen Anstoss, gewisse Dinge im Leben zu verändern – auch bei der Bewegung und beim Sport.

Ein anderer positiver Effekt wurde bei der Ernährung beobachtet: Viele Menschen in der Schweiz entdeckten lokale Produzenten, fanden Geschmack an frischen Lebensmitteln aus der Region, die Einkäufe beim Metzger im Dorf oder im Quartier haben deutlich zugelegt. Die bewusste Ernährung in Kombination mit mehr Bewegung führte bei manchen Menschen zu einer Gewichtsabnahme.

Häufig wurde jedoch über die negativen Effekte berichtet. Dass sich Menschen weniger bewegen, wenn sie zu Hause bleiben müssen, überrascht nicht. So zeigte eine Studie des Gottlieb Duttweiler Institut (GDI) eine Reduktion der körperlichen Aktivität im Lockdown. Im Schnitt bewegten sich im Vergleich zu vor der Pandemie zwei von fünf Personen weniger. Jedoch veränderte sich das Bewegungsverhalten über die Zeit: Eine Umfrage von Gesundheitsförderung Schweiz ergab, dass sich einen Monat nach dem Lockdown (in der Schweiz ohne Ausgangssperre) 49 Prozent der Befragten weniger bewegten; einen Monat später waren es nur noch 29 Prozent.

Die Pandemie hatte auch einen Einfluss auf die Psyche. So wurde zum Beispiel eine Zunahme an psychischen Erkrankungen bei Personen beobachtet, die bereits zuvor psychisch belastet waren. Bei diesen Personen führte die Pandemie vielfach zu einer Verstärkung bereits bestehender Belastungssymptome. Besondere Risiken bestanden zudem für Menschen, die durch die Krise in existenzielle wirtschaftliche Not geraten sind, etwa durch Jobverlust, Einkommenseinbussen oder Konkurse. Schliesslich waren Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene von den psychischen Folgen der Pandemie deutlich stärker betroffen als andere Altersgruppen.

Die Pandemie lieferte Menschen einen Anstoss, gewisse Dinge im Leben zu verändern – auch bei der Bewegung und beim Sport.

Bewegung als Therapie fördern

Wichtig ist daher nun der Fokus auf die Bewegung und darauf, positive Pandemiemuster zu stärken und negative zu durchbrechen. Denn Bewegung wirkt mehrfach: 

  • Erstens auf der Ebene Prävention, denn regelmässige Bewegung reduziert das Risiko, dass eine nichtübertragbare Krankheit (NCD) überhaupt erst entsteht. 
  • Zweitens wirkt Bewegung bei bereits erkrankten Menschen, zum Beispiel bei Menschen, die an einer NCD leiden. Mit der richtigen Bewegung können die Symptome zum Teil gelindert werden.
  • Drittens im Bereich der Psyche und im Sozialen, denn Bewegung hat oft auch eine soziale Komponente, da Bewegung meist gemeinsam mit anderen Menschen stattfindet.

Bewegung bedeutet nicht automatisch intensives Training. Oft verbinden wir Bewegung mit Sport und Schweiss. Aber schon wenn wir leicht ausser Atem geraten, tun wir uns Gutes. Alles andere als Sitzen und Liegen ist grundsätzlich gut für die Gesundheit. Treppensteigen statt Lift, Tram statt Auto, mit dem Velo zur Arbeit, zu Fuss einkaufen gehen, ein Mittagsspaziergang im Park, Gärtnern, die Wohnung putzen. Und für all jene, die vor allem sitzend arbeiten, gilt: regelmässig aufstehen und sich bewegen. Mit relativ wenig Bewegung ist viel erreicht für die Gesundheit.

Bewegung wirkt also wie eine ganzheitliche Therapie. Sie ist mehr als nur körperliche Betätigung, sie ist Wohlbefinden, gibt Energie und Freude. «Gehen ist des Menschen beste Medizin», wusste schon Hippokrates von Kos, vor fast 2500 Jahren.

Bewegung hat weiter einen positiven Effekt auf unser Immunsystem: Wenn wir uns regelmässig genügend bewegen, stärken wir unser Immunsystem und wappnen uns gegen mögliche Infektionen. Ein anderer positiver Effekt zeigt sich bei Entzündungen: Während der Bewegung produzieren die Muskeln verschiedene entzündungshemmende Stoffe – sofern das Training angemessen ist (bei einem übermässigen Training kann auch das Gegenteil eintreten, es werden entzündungsfördernde Stoffe produziert). Diese Stoffe schützen den Körper vor Entzündungen und da viele NCDs auf chronischen Entzündungen basieren, ist der positive Effekt von Bewegung klar erkennbar. Wichtig ist bei Personen, die an einer NCD leiden, dass sie Bewegungsprogramme erhalten, die auf sie zugeschnitten sind, um den optimalen Effekt zu erzielen.

Erholung oder langfristige Folgen?

Wie geht es nun weiter mit dem Bewegungsmuster der Schweizer Bevölkerung? Müssen wir langfristige Auswirkungen befürchten? Eine Zunahme von NCDs oder im Gegenteil eine Abnahme? Fachleute können dazu im Moment noch keine abschliessenden Aussagen machen. Die Datenlage lässt im Moment keine eindeutigen Schlüsse zu, grosse nationale Erhebungen dazu sind ausstehend. Natürlich hängt das auch vom weiteren Verlauf der Pandemie ab.

Was trägt das BAG zu einer positiven Entwicklung bei? Das BAG engagiert sich in verschiedenen Handlungsfeldern, um Bewegung im Alltag zu fördern: So zum Beispiel im Bereich «Exercise is medicine», wo Bewegung als Ergänzung zur Therapie gefördert wird. Auch in der strukturellen Bewegungsförderung werden einige Projekte unterstützt, zum Beispiel die Modellvorhaben für nachhaltige Raumentwicklung oder innovative Projekte zur Förderung der aktiven Mobilität, der kurzen Wege und der Zugänglichkeit zu Naherholungsgebieten. Das BAG engagiert sich weiter beim Netzwerk hepa, das Akteure im Bereich Bewegungsförderung vernetzt. hepa ist verantwortlich für die Schweizer Bewegungsempfehlungen (siehe Box). Und nicht zuletzt ist das BAG aktiv in der Bewegungsförderung an Schulen, beispielsweise durch die Unterstützung von Schulnetz21, dem Netzwerk gesundheitsfördernder und nachhaltiger Schulen.

Neue Bewegungs­empfehlungen ab September

Das Netzwerk hepa veröffent-licht die aktuellen Bewegungsempfehlungen für verschiedene Alters- und Zielgruppen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat diese Empfehlungen kürzlich aufgrund der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse aktualisiert. hepa ist zurzeit gemeinsam mit Fachleuten daran, diese für die Schweiz anzupassen. Die neuen Schweizer Empfehlungen werden an der hepa-Netzwerktagung am 7. September 2022 publiziert.

Quellen

Prävention im Umbruch, GDI, 2021

Covid-19 Social Monitor

Links

Kontakt

Kathrin Favero
Sektion Gesundheitsförderung und Prävention
 

France Genin
Sektion Nationale Gesundheitspolitik
 

Alberto Marcacci
Sektion Prävention in der Gesundheitsversorgung

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